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Die Geschichte der Plettendorfstraße: Wie die Amme der Droste unsterblich wurde

 NIENBERGE. Jetzt ist es also da, das Tagespflegezentrum auf dem Gelände des alten Lydia-Gemeindezentrums- nebst Wohnungen, Praxen und Apotheke. Plötzlich liegt damit die Plettendorfstraße mitten im Zentrum des Dorfes, Grund genug, sich auch einmal mit der Geschichte der Straße näher zu beschäftigen. Ins Auge springt sofort ihr ungewöhnlicher Name. Was viele nicht wissen: Die Plettendorfstraße erinnert an die Amme der Romantik-Dichterin Annette von Droste-Hülshoff.

Die Plettendorfstraße erinnert an die Amme von Annette von Droste-Hülshoff. Fotos: Siegmund Natschke.

Die Droste hatte nämlich zu kaum einem anderen Menschen ein so enges Verhältnis wie zu ihrer Amme Maria Katharina Plettendorf, der sie einst als zu früh geborenes Kind ihr Leben verdankte, und die sie später in das „Haus Rüschhaus“ aufnahm. Dort pflegte Droste-Hülshoff die inzwischen alte und gebrechliche Frau hingebungsvoll. An die von ihr so verehrte Kinderfrau erinnert heute die Plettendorfstraße in Nienberge.


Das Jahr 1797 scheint ein glückliches zu werden. Die 25jährige Therese von Droste-Hülshoff ist im siebten Monat schwanger, sie und ihr Mann Clemens-August hoffen auf einen Jungen, der die Stammeslinie fortsetzen kann. Die ersten Wintertage des Januar sind kalt. Beißender Frost bedeckt Wege wie Felder, doch für das adelige Paar ist es eine Zeit der ungetrübten Freude. Dann der Schicksalstag. Das Jahr ist ganze 10 Tage alt, als Therese auf glattem Eis ausrutscht und so unglücklich hinfällt, dass eine Frühgeburt ausgelöst wird. Das Leben von Annette beginnt dramatisch, denn ihre Mutter kann sie selber nicht stillen, so dass Hilfe im Gebet und der Hinwendung zu Gott gesucht wird. Schließlich finden die Eltern mit der Hilfe des Pfarrers in Altenberge die Amme Maria Katharina Plettendorf, die selber einen kleinen Jungen zur Welt gebracht hat und nun mit auf die „Burg Hülshoff“ zieht.

Gut 35 Jahre später haben sich die Dinge verkehrt: Annette war nur unter der Bedingung in das „Haus Rüschhaus“ eingezogen, dass auch ihre Amme dort wohnen könne, was ihre Mutter Therese wenig erfreute, und doch konnte wieder einmal die melancholische Dichterin ihren eisernen Willen auch innerhalb der Familie durchsetzen. Ihre geliebte Amme war jedoch inzwischen krank und gebrechlich, so dass die Adelige sich nicht scheute, die Pflege selbst zu übernehmen. Jeden Morgen ging sie in die Kammer der Plettendorf, um nach dem Rechten zu sehen, immer in der Furcht, dass die alte Frau nicht mehr am Leben sein könne.

Doch auch unbeschwerte Stunden gab es. So erinnert sich der Theologe Christoph B. Schlüter, mit dem die Droste einen steten Briefwechsel unterhielt: „An den langen Winterabenden pflegte die Amme in des Fräuleins Zimmer zu kommen und sich am Ofen niederzulassen. Dann setzte sich das Fräulein auf einen Schemel neben sie, und beide unterhielten sich in plattdeutscher Sprache traulich und lange.“

An die herzensgute Amme sollte jeder denken, der heute die Plettendorfstraße entlanggeht oder –fährt. Diese führt am ehemaligen evangelischen Lydia-Zentrum und am alten Feuerwehrgerätehaus vorbei und war einst der Weg der Annette zur St. Sebastian-Kirche. Wenn sie vom „Haus Rüschhaus“ zum Dorf ging, kam sie stets auch zum ehemaligen, kircheigenen Brinkmannshof, wo sie schon von den versammelten Nachbarskindern mit freudigen Rufen empfangen wurde. Von da ab waren es nur noch wenige Meter bis zur Heiligen Messe.

Die Menschen kannten die Annette, und die kannte die Menschen von Nienberge. Keinem aber stand sie so nahe wie Maria Katharina Plettendorf. Niemand konnte ahnen, dass sie ihre Amme, der sie einst das Leben verdankte, selber nur um drei Jahre überleben sollte. Annette von Droste-Hülshoff starb 1848 in Meersburg am Bodensee. Es war der 24. Mai, ein warmer Frühlingstag.

Der historische Hof Brinkmann. Foto: Archiv Siegmund Natschke.

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