MÜNSTER. Die Stadt Münster bricht ein Tabu: Sie kauft das Galeria-Warenhaus des insolventen Signa-Konzerns an der Ludgeristraße – und lässt damit die Allgemeinheit für die Fehler eines Privatunternehmens aufkommen. Der Rat hat diesen Kauf in seiner letzten Sitzung beschlossen. Nicht-öffentlich. Aus „Datenschutzgründen“, wie es offiziell heißt. Der Kaufpreis soll im niedrigen zweistelligen Millionenbereich liegen. Die Vertragsverhandlungen befinden sich bereits in der finalen Phase. Und die Stadt plant hier offenbar eine „Rochade“: Nach Abschluss des Kaufvertrags plant sie nämlich, das Gebäude an Galeria wieder rückzuvermieten.
Die Stadt Münster kauft die Galeria-Immobilie zwischen Stubengasse und Ludgeristraße. Foto: Siegmund Natschke.Der Stadt Münster gehört übrigens bereits jetzt schon der Großteil des fast 4.000 Quadratmeter großen Grundstücks. Das Warenhaus wurde im Jahr 1962 auf einem rund 2.300 Quadratmeter großen, städtischen Grundstück errichtet – damals unter dem Namen „Horten“. Erstmals erweitert wurde das Gebäude 1967, ein weiterer Ausbau erfolgte dann 1984. Diese beiden Grundstücksteile befinden sich derzeit im Besitz von Firmen des insolventen Signa-Konzerns.
Das Warenhaus an der Ludgeristraße gilt als bedeutender Standort für das Oberzentrum Münster - und als eines der „Filetstücke“ in der Insolvenzmasse von Signa. Mit dem Kauf der Immobilie und der Grundstücksflächen wolle die Stadt den Fortbestand des Warenhauses und der verbundenen Arbeitsplätze in Münster ermöglichen und Leerstände verhindern, wie sie betont. Gleichzeitig stelle die Stadt auf diese Weise sicher, dass das zentrale Grundstück nicht zum Spekulationsobjekt „unkontrollierter Marktkräfte“ werde.
Dennoch: Dieser Schritt der Stadt Münster stellt zweifellos einen Tabubruch dar. Indem die öffentliche Hand ein Gebäude eines insolventen Privatunternehmens erwirbt, um dort Arbeitsplätze zu sichern, übernimmt die Allgemeinheit die Verantwortung für die wirtschaftliche Fehlleistung eines privaten Akteurs. Die Stadt Münster nimmt damit eine Pionierfunktion ein, begibt sich jedoch auch auf ein unberechenbares Terrain. Sie greift selbst als Käufer in den Markt ein, um die Verödung der Innenstadt zu verhindern. Kann das gutgehen? Offenbar um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, hat sie selbst schon ein Gutachten in Auftrag gegeben. In diesem heißt es jedoch schonungslos, dass das Galeria-Gebäude aufgrund seines Alters und des energetischen Zustands in den kommenden Jahren umfangreiche Instandhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen benötige. Die Kosten dafür sollen nach einem Kauf des Gebäudes durch die Stadt im Mietvertrag vollständig auf den Mieter Galeria übertragen werden. Und jetzt kommt es zu „Trick 17“: Die Stadt teilte gegenüber „Münster täglich“ nämlich mit: “Mieterin ist die BB Kapital SA. Sie ist nicht insolvent. Insolvent ist die Signa-Holding.“ Münster täglich“-Recherchen ergaben, dass die BB Kapital SA mit Sitz im schweizerischen Lugano Teil des erweiterten Netzwerks von René Benko und seiner Finanz- und Beteiligungsstruktur ist. Es ist bekannt, dass Signa durch ein komplexes System von Tochtergesellschaften und Beteiligungen operierte.
Die Insolvenz der Signa Holding wiederum betrifft viele ihrer Tochterunternehmen und Beteiligungsgesellschaften, die durch hohe Schulden und Liquiditätsprobleme belastet sind. Dies könnte auch Auswirkungen auf verbundene Partner und Finanzierungsvehikel wie die BB Kapital SA haben, falls sie in die Finanzierung oder Verwaltung von Signa-Projekten eingebunden war.
Warum Münster mit einem Haushaltsdefizit von 30 Millionen Euro sich auf so einen Deal mit einem Partner aus dem undurchsichtigen Signa-Sumpf einlässt, ist auch bei gut gemeinten Absichten mehr als fragwürdig. Selbst wenn die Domstadt kein Einzelfall ist: Auch andere Städte wie Hamburg, Berlin und München haben Immobilien aus der Insolvenzmasse von Signa übernommen, um ihre Innenstädte vor dem Zerfall zu bewahren. Münster reiht sich damit in eine Reihe von Kommunen ein, die sich auf zweifelhafte Deals mit einem Partner eingelassen haben, dem man nicht die Hand schütteln möchte.
(C) Siegmund Natschke, freier Journalist.
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