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Abschied vom Evangelischen Krankenhaus

MÜNSTER. Münster im Mai 2024: Ein Hauch von Melancholie liegt in der Luft, während die Sonne über den historischen Gemäuern des Evangelischen Krankenhauses in  Münster untergeht. In den kommenden Monaten wird das traditionsreiche Krankenhaus, das zur Alexianer-Gruppe gehört, seine Türen für immer schließen. Ein Kapitel der Stadtgeschichte endet, und mit ihm schwindet ein Stück Heimat für viele Münsteraner.

Das Evangelische Krankenhaus schließt seine Pforten.  Foto: Alexianer.

Das  Evangelische Krankenhaus Münster (EVK)  wird voraussichtlich zum 1. Januar 2025 seinen Betrieb einstellen. Die einst so geschäftigen Flure, auf denen generationsübergreifend Patienten und Ärzte ihren Weg gingen, werden verstummen. Die Leistungsangebote werden in die beiden anderen Krankenhäuser der Alexianer in Münster verlagert. Für die Patienten des Evangelischen Krankenhauses bedeutet das, dass sie künftig im Clemenshospital und in der Raphaelsklinik versorgt werden können.

Wie sich jetzt herausstellt, ist der Hintergrund dieser folgenschweren Entwicklung offenbar ein Anhörungsschreiben des Landesgesundheitsministeriums, das vom 16. Mai 2024 datiert ist. In dem bittet das Ministerium die  Krankenhäuser in Münster um Stellungnahme zu seinem Vorschlag für die  künftige Verteilung der Fallzahlen  in den münsterschen  Krankenhäusern. In diesem formellen Dokument der offiziellen Krankenhausplanung, für die eben grundsätzlich das Ministerium zuständig ist,  wird das EVK Münster in allen Leistungsbereichen mit null Fallzahlen (!) geführt – ein unmissverständliches Signal.

Das Ministerium plädiert dafür, die Versorgung in den Bereichen der Chirurgie, Inneren Medizin, Geriatrie und Intensivmedizin auf andere Häuser zu verlagern. Der bisherige Schwerpunkt des EVK, die Altersmedizin, soll Ende des Jahres in den benachbarten Innenstadt-Standort Raphaelsklinik umziehen.

„Wir Alexianer werden keinen Widerspruch gegen das Anhörungsschreiben und die enthaltene Entscheidung des Landes einlegen. Vielmehr tragen wir das Votum des Ministeriums vollumfänglich mit“, erklärt Stephan Dransfeld, Regionalgeschäftsführer der Alexianer Region Münster. Aber warum ist das so? Warum haben die Alexianer dem Ministerium nicht widersprochen? „Wir haben selber gesehen, dass das Krankenhaus zukünftig nicht wirtschaftlich tragbar ist.“, sagt Alexianer-Sprecherin Carmen Echelmeyer auf „Münster täglich“-Anfrage. Zumal auch noch hohe Investitionskosten zu tätigen seien.  

Dransfeld meint: „Münster ist durch eine hohe Krankenhausdichte und eine Doppelvorhaltung vieler Fachabteilungen geprägt. Deshalb ist das Votum des Ministeriums nachvollziehbar und folgerichtig.“ Schon bei der Übernahme des Hauses durch die Alexianer im Jahr 2021 sei das EVK in einer wirtschaftlich schwierigen Situation gewesen: „Diese hat sich, nicht zuletzt durch weiter rückläufige Fallzahlen nach der Corona-Pandemie, vor allem in der Chirurgie, weiter verschärft.“ Ein stilles Eingeständnis ist das. 

„Gleichwohl bedauern wir sehr, dass es für dieses traditionsreiche Haus, in dem Menschen einst das Licht der Welt erblickten oder im Alter den letzten Weg gegangen sind, keine Zukunft als Krankenhausstandort mehr gibt“, betont Dransfeld jedoch. „Für uns ist entscheidend, dass ältere Menschen, auf die wir unser Angebot im EVK zuletzt vor allem ausgerichtet haben, nahtlos und stadtnah in unseren Häusern Clemenshospital und Raphaelsklinik vollumfänglich versorgt werden.“ Die Versorgungsachse zwischen den Krankenhäusern der Alexianer sei leistungsstark, eng verwoben und kurz: „Niemand bleibt unversorgt.“

In den kommenden Tagen und Wochen würden die Alexianer zudem mit allen Mitarbeitenden eine individuelle berufliche Perspektive ausloten. Besonders für Mitarbeitende aus dem Bereich Pflege würden sich dabei attraktive neue Arbeitsbereiche ergeben. „Wir sind zuversichtlich, dass wir den Großteil der Mitarbeitenden des EVK Münster für eine Weiterbeschäftigung in den vielseitigen Arbeitsfeldern der Alexianer begeistern können“, sagt der Regionalgeschäftsführer hoffnungsvoll. „Jedem Mitarbeiter wird individuell ein Angebot unterbreitet“, verspricht Alexianer-Sprecherin Carmen Echelmeyer. Und: “Alle Pflegekräfte werden übernommen“.

Nach den in den letzten Tagen stattgefundenen  Mitarbeiterversammlungen wollen sich die Alexianer in einem weiteren Schritt auch mit einer „sinnvollen und wirtschaftlich tragfähigen Nachnutzung“ des historischen Gebäudes im Kreuzviertel beschäftigen. In jedem Fall wolle der Gesundheitsanbieter seiner Verantwortung für den Gesundheitsstandort Münster auch zukünftig gerecht werden und „für eine exzellente medizinische und pflegerische Versorgung“ der  Münsteraner engagiert und professionell einstehen.

Das ehemalige Evangelische Krankenhaus wurde 2021 durch die Alexianer übernommen und der Alexianer Münster GmbH zugeordnet. Es firmiert seitdem als „EVK Münster – Alexianer Johannisstift GmbH“ mit dem Schwerpunkt Altersmedizin. Doch auch diese Neuausrichtung konnte nicht verhindern, dass die ruhmreichen Hallen des Krankenhauses nun bald ihre letzten Patienten verabschieden werden.

Die Entscheidung mag rational und logisch erscheinen, doch die Herzen vieler Münsteraner hängen an diesem Ort, an dem so viele Lebensgeschichten begannen - und endeten. „Das EVK ist zwar ein kleines Haus. Aber in einem war es - zumindest bis zu Übernahme durch die Alexianer - groß: In menschlicher, zugewandter Medizin, getragen neben fachlicher Kompetenz vom Geist der Diakonie.“, bedauert Babette Lichtenstein van Lengerich von der CDU-Ratsfraktion. Sie meint: „Das EVK ist wie viele andere kleine Häuser ein klassisches Opfer unserer durch die Kassen dominierten patienten- und personalfeindlichen Gesundheitspolitik.“  Und so liegt also ein leises, wehmütiges „Auf Wiedersehen“  über der Stadt, während die Sonne über dem EVK Münster untergeht – das Ende dieser Ära ist unwiederbringlich. Das Krankenhaus, das einst dafür bekannt war, auch Menschen zu behandeln, die sonst nirgendwo unterkamen, so wie etwa Obdachlose und Strafgefangene, ist nun endgültig Geschichte.

(C) Siegmund Natschke
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