KINDERHAUS. Als die Kneipe den Zapfhahn für immer schloss, waren sich alle einig: Der „Krug“ war mehr als nur ein Wirtshaus, hier ging es menschlich zu. Die letzte echte Kneipe in Kinderhaus ist seit Juli 2012 Geschichte. Wirt Thomas Gogoll gab sie damals schweren Herzens auf, sagte aber auch : „Ich habe keine Sekunde bereut.“
Sieben Jahre betrieben Gogoll und seine Frau Andrea Rose den „Krug“ . Seit 2005, damals wurde ein neuer Pächter gesucht: „Da haben die Stammgäste gesagt: Mann, das ist was für Euch. Ihr könnt auf Menschen zugehen“, erinnerte sich der Wirt. „Meine Mutter hat gleich gesagt: Ich kann mir Euch da gut vorstellen“, berichtete Frau Andrea von der Familienunterstützung, die das Vorhaben hatte.
Gesagt, getan. Die Eckkneipe, die ein Jahr später mit der Musik vom Boogie-Woogie-Spezialisten Daniel Paterok bereichert wurde, zog viele an: „Alle Nationalitäten, alle Hautfarben kamen“, so Gogoll: „Mich interessiert nur der Mensch.“ Viele Stammtische bildeten sich, die bis zuletzt den „Krug“ als ihre Heimat angesehen haben. Manche hatten nur den „Krug“, trafen hier die Menschen, die ihnen wichtig waren - und erfuhren gleichzeitig wie in einer Familie immer das Neueste: „Wer ist gerade Opa geworden, wer ist fremdgegangen, wem geht es gut und wem nicht so gut“, zählte der Kneipier die Infos auf, die die Gäste regelmäßig untereinander austauschten.
Das ist vorbei. Die Stammtische können jetzt nirgendwo mehr hingehen. Auch der Runde „Halb Acht“ benannt nach der Uhrzeit, zu der sie sich im Krug versammelte, fehlte fortan der Treffpunkt. „Das ist ganz traurig, dass in Kinderhaus jetzt der Krug fehlt“, sagte Henry Struckamp am letzten Tag der Kneipe. Ein anderer „Halb Achtler“ konnte es nicht begreifen: „Kinderhaus hat 17 000 Einwohner und keine Kneipe mehr.“
Für das Wirtspaar begann indes ein neuer Lebensabschnitt. Thomas Gogoll zog es in die „Telgter Bürgerstuben.“ Frau Andrea hoffte auf ein bisschen mehr Freizeit: „Bisher war ein Kinobesuch oder ein Abendessen immer mit viel Organisation verbunden.“ Denn: Für das umtriebige Wirtspaar stand immer der „Krug“ im Vordergrund- und die Menschen, die dort ein- und ausgingen. Thomas Gogoll glaubte, in der Zeit viel an Lebenserfahrung gewonnen zu haben: „Man kriegt viele Höhen und Tiefen der Gäste mit.“ Doch eines ist gewiss: „Es waren alles liebe, nette Leute.“ Nach Mitternacht an diesem 13. Juli 2912 schloss er dann nicht nur den Zapfhahn, sondern auch die Tür des „Krugs“. Für immer.
Wirt Thomas Gogoll (li.), Tochter Jenny (2. v. l.) und Frau Andrea Rose (re.) nahmen am letzten Tag des „Krugs“ Abschied von ihren Gästen - auch vom Stammtisch "Halb Acht". Foto: Siegmund Natschke
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