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„Omaklau“ in der Nachkriegszeit

 

MÜNSTER. Und plötzlich war die geliebte Oma verschwunden. Eine heute 83jährige Münsteranerin erinnert sich an ein einschneidendes Erlebnis in ihrer Kindheit, von dem sie glaubt, dass es alles andere als ein Einzelfall sein dürfte und vielen ganz genauso passiert sei.

In der Nachkriegszeit kam es nicht selten zum "Omaklau".  Symbolbild: Dall-E/ Siegmund Natschke.

Gegenüber „Münster täglich“ beginnt die Zeitzeugin zu erzählen:

Meine Oma lebte bei meiner Mutter, meiner Schwester und mir, sie war 83 Jahre alt, so wie ich heute. Damals war ich acht. Da kam eines Tages ein Onkel von mir vorbei und sagte: ´Ihr habt die Oma lange genug gehabt! Jetzt kommt sie zu uns!´ “ Das sei 1949 gewesen: “Ich weiß es noch wie heute: Er nahm sie einfach huckepack und setzte sie in eine Schubkarre, die er dabei hatte. Die Oma konnte vor Entsetzen nichts sagen. Meine Mutter konnte sich nicht wehren, weil mein Onkel so kräftig war und brüllte.“ Die Nachbarn hätten „entsetzt geguckt“, es sei ein großer Auflauf gewesen. Was war der Grund für die brutale Aktion? „Wir vermuteten, dass der Onkel scharf auf die Rente meiner Großmutter war.“, so die Zeitzeugin, die dieses Ereignis bis heute nicht vergessen kann: “Ab diesem Zeitpunkt wohnte die Oma nicht mehr bei uns, wir konnten sie nur noch besuchen. Für mich war das ein großer Schock. Meine Oma starb drei Jahre später.“ Ein Einzelfall? Das glaubt die Zeitzeugin nicht, sie schüttelt mit dem Kopf. „Es ging das Gerücht um, dass es einigen so erging wie uns. In diesen Fällen soll dasselbe passiert sein - sobald die Familie für einige Tage verreist war, und die Großmutter alleine zu Hause blieb. Plötzlich war sie dann verschwunden – eben der „Omaklau“ : Und immer waren es Verwandte, die die alten Damen offenbar geholt hatten – gegen ihren Willen: „Solche Geschichten hörten wir immer wieder.“ Immerhin: Die Leute seien verarmt, und die Renten der Omas „sicheres Geld“ gewesen. Auch später noch hörte die Zeitzeugin ähnliche Berichte: “Vor zwanzig Jahren sagte mir eine Bäuerin: ´Unsere Oma bleibt bei uns. Ich pflege sie, weil ich ihre Rente brauche.´ So sind die Omas also auch heutzutage beliebt – wegen ihrer Rente. „Aber nicht nur!“, sagt unsere Zeitzeugin schmunzelnd, aber auch sehr nachdenklich. Der „Omaklau“ sei eine zutiefst unmenschliche Praxis gewesen, die auch in Zeiten wirtschaftlicher Not keinesfalls zu rechtfertigen sei: „Alte Menschen verdienen Respekt und Würde – und dürfen nicht gegen ihren Willen entwurzelt werden.“, meint sie.


(C) Siegmund Natschke


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