Direkt zum Hauptbereich

Zeitzeugin erinnert sich: die letzte Predigt des „Löwen von Münster“

 MÜNSTER. Er stellte sich unerschrocken gegen die Nazis und wurde ehrfurchtsvoll „der Löwe von Münster“ genannt: Kardinal von Galen leistete mutig Widerstand und predigte gegen die Euthanasie an. Felsenfest waren seine Überzeugungen, unerschütterlich sein Glauben. Bis heute ist Kardinal von Galen Leitfigur und Vorbild. Auf „Münster täglich“ erinnert sich eine heute 83jährige Zeitzeugin an die letzte Predigt des „Löwen von Münster“, die er auf dem Dompatz hielt, nachdem er aus Rom zurückkehrte- dort war von Galen zum Kardinal erhoben worden.

Clemens August Kardinal von Galen. Foto: Bistum Münster/Gustav Albers.

Ganz genau kann sie sich noch erinnern: „Meine Tante hatte damals erfahren, dass der Bischof von Münster, der in Rom zum Kardinal wurde, am 16. März dieses Jahres 1946 zurückkommen würde und die Münsteraner auf dem Domplatz begrüßen wollte. Und dann sagte sie: ´Komm´wir gehen schnell hin!´ Sie nahm mich bei der Hand, und wir gingen von der Kerkerinckstraße im Geistviertel, wo ich mit meiner Mutter wohnte, zum Domplatz. Ich war damals fünf Jahre alt. “Auch als Kind habe sie schon viel über den mutigen Bischof gehört. So wie die beiden wollten viele Münsteraner von Galen herzlich willkommen heißen.

„Als wir ankamen, waren schon sehr viele Leute da. Die Kinder hatten Blumen in der Hand. Meine Tante sagte zu mir, ich sollte mich nach ganz vorne in die erste Reihe stellen. Ich erinnere mich gut, dass sie sich hinter meinem Rücken duckte, sie wollte anscheinend nicht gesehen werden. Ich wunderte mich darüber und konnte mir das damals nicht erklären. Heute glaube ich, dass sie noch durch die Jahre unter der nationalsozialistischen Herrschaft verängstigt war und besonders vorsichtig sein wollte.“ Dann sei plötzlich ein Raunen durch die Menge gegangen: “Kardinal von Galen war da! Er saß in einer offenen Kutsche, fuhr zweimal um den Dom herum und segnete dabei die Leute. In der Hand hatte er einen großen Stab, den Bischofsstab. Dann stieg er aus, blieb stehen und gab den Kindern in der ersten Reihe die Hand.“ Schließlich habe er sich mitten in die Menge gestellt– und gepredigt. “Er suchte den Kontakt zu den Menschen“. In dieser Predigt machte er klar: “Mein Recht und meine Aufgabe war es zu sprechen, und ich habe gesprochen für Euch.” Und für die vielen, die ermordet wurden: ”Sie konnten nicht sprechen. Sie konnten nur leiden.” Zugleich bedankte er sich den Anwesenden dafür, “dass Ihr hinter mir standet, und dass die damaligen Machthaber wussten, dass Volk und Bischof in der Diözese Münster eine unzertrennliche Einheit waren und dass, wenn sie den Bischof schlugen, das ganze Volk sich geschlagen gefühlt hätte.” Die Münsteraner waren tief beeindruckt von seinen Worten und seinem mutigen Beispiel. „Sie jubelten ihm zu“, sagt unsere Zeitzeugin, die dieses Erlebnis bis heute nicht vergessen hat. Sie dachte über die Jahre hinweg immer wieder an den Kardinal, und dass sie ihn einmal als Kind gesehen hatte. Als Erwachsene machte sie eine Domführung mit und sah dabei das Grab von Galens in der St.-Ludgerus-Kapelle des Doms. Da fiel ihr alles wieder ein. Damals, 1946, war es sehr kalt gewesen. Man habe seinerzeit erzählt, dass von Galen sich auf dem Domplatz eine Lungenentzündung geholt habe. Kurz darauf starb er, das war am 22. März 1946. „Er war sehr menschlich“, sagt die 83jährige heute: “Er hat sich für die Schwachen eingesetzt, die sich nicht wehren konnten.“ Genau das bewundert sie an ihm. Und deswegen erzählt sie gerne von diesem besonderen Tag im März 1946.

(C) Siegmund Natschke

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Mietenwahnsinn in Münster: Jetzt wird die Mittelschicht wohnungslos

MÜNSTER. Eine 3-Zimmer-Wohnung in Gremmendorf für 1150 Euro Kaltmiete, eine 2-Zimmer-Wohnung in Mauritz-Ost für 1000 Euro und ein karges 1-Zimmer-Appartement am Johann-Krane-Weg immerhin noch für 715 Euro – das sind drei zufällig ausgewählte Mietangebote in einer bekannten Immobilienbörse für den Ort Münster. Wer es gerne größer möchte oder braucht, etwa wenn die Wohnung für eine Familie benötigt wird, muss mitunter sogar ganze 2000 Euro berappen. Viele Menschen machen sich Sorgen wegen dieser exorbitanten Preise. Einige können sie schlicht nicht mehr bezahlen – obwohl sie eine reguläre und oft auch „gute“ Arbeit haben. Manche werden deshalb sogar wohnungslos. Das sind Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die plötzlich und unvermittelt ins Bodenlose fallen. Volker Jaks, Rechtsanwalt vom Mieterverein Münster, bestätigt: „Das Problem der Obdachlosigkeit ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“ Babette Lichtenstein van Lengerich, Sprecherin der CDU-Ratsfraktion für die Theme

„Kegelbrüder“ vor Gericht: Kein Prozess in Deutschland?

 MÜNSTER/PALMA DE MALLORCA. Die Kegelbrüder aus Münster-Albachten, denen (noch immer) vorgeworfen wird, auf Mallorca durch das Werfen von Zigarettenkippen einen Brand verursacht zu haben, werden voraussichtlich keinen Prozess in Deutschland durchlaufen. Das erklärte Henning Barton, Pressesprecher des Landgerichts Münster, auf Nachfrage von „Münster täglich“ und betonte, dass ihm keine Rechtsvorschrift bekannt sei, die das Verfahren nach Deutschland verweisen könnte. Das Verfahren wird demnach in Spanien geführt werden. Die Beschuldigten waren vorübergehend in Untersuchungshaft, wurden jedoch gegen Zahlung einer Kaution vorläufig freigelassen. Die spanischen Anwälte der Kegelbrüder nutzten dabei geschickt die Abwesenheit des Ermittlungsrichters, um die Freilassung auf Kaution bei dessen Vertretung zu beantragen. Mit einer Solidarhaftung von 500.000 Euro, die von den Familienangehörigen der jungen Männer aufgebracht wurde, und der Unterstützung der Staatsanwaltschaft wurde der Antrag bew

Wie lange noch, WN?

  MÜNSTER. „Quo usque tandem abutere patientia nostra?“ Das war Latein. Es gibt kaum ein berühmteres Zitat aus dem alten Rom als diese Anklage von Cicero, der dem  Aufrührer Catilina entlarvend fragte: „Wie lange willst Du noch unsere Geduld missbrauchen?“ Kaum ein Zitat dürfte indes treffender sein, um den derzeitigen Zustand der „Westfälischen Nachrichten“ (WN) und der Münsterschen Zeitung (MZ), die jeweils textgleich berichten, zu charakterisieren. Denn viel Geduld brauchen zweifellos auch die Leser dieser Zeitungen. Immer weniger erfahren sie vom Geschehen in ihrer Heimatstadt.  Wichtige Ereignisse und Themen finden in der Tageszeitung schlichtweg nicht mehr statt, Vereine und Institutionen haben immer größere Probleme, Erwähnung zu finden. Während früher stets sogar mehrere Journalisten zu Terminen kamen -von der MZ und von der WN- ist jetzt meistens keiner mehr da. Die WN druckt lieber für sie kostenlose Pressemitteilungen ab, so dass der Inhalt der einst so stolzen Regionalzeitu